Mein Bücherregal #2 – Der Pfau von Isabel Bogdan

Leider ist es schon wieder ein bisschen her, dass ich „den Pfau“ gelesen habe. Ich hinke also hinterher was mein Bücherregal 2018 angeht. Trotzdem liegt mir das Vorhaben, meine gelesenen Bücher für mich zu dokumentieren, sehr am Herzen. Zu oft möchte ich mich an ein Buch im Detail erinnern und es gelingt mir nicht mehr, weil ich mittlerweile so viele andere Dinge im Kopf habe.

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In einem verlassenen Tal in Schottland

Der Pfau war ein seltsames Buch. Ich hatte vollkommen andere Erwartungen an die Geschichte und wusste lange nicht worauf die Autorin hinaus will. Die Hauptfigur, laut Titel, ist ein Pfau der mit seinen Artgenossen auf dem uralten Anwesen der McIntoshs in einem abgelegenen Tal in Schottland lebt. Die McInthos, das sind Lord Hamish und Lady Fiona McInthos die versuchen, ihr Erbe in Stand zu halten und sich mit der Vermietung einiger Cottages und des Westflügels etwas dazu verdienen. Nicht nur als Fan von Downton Abbey kann man sich vorstellen, das keine der Unterkünfte wirklich luxuriös ist, dafür liebevoll eingerichtet, mit ausreichend Erbstücken einer alten schottischen Adelsfamilie.

Kurz vor Weihnachten mieten sich einige Banker für eine „kreative Auszeit und Teambuildingmaßnahme“ in den Westflügel ein. Die Gruppe besteht aus vier höchst unterschiedlichen Bankern, einer merkwürdig arroganten Chefin mit ihrem vermeintlich wohlerzogenen Jagdhund, einer etwas unerfahrenen Psychologin die das Wochenende begleiten soll und der robusten und eigensinnigen Köchin die für das leibliche Wohl zuständig ist. Auch ohne den Pfau hätte man vermutlich ein gutes Buch über die Dynamik in dieser Gruppe schreiben können. Der große Vogel mit den schönen Federn gibt der ganzen Geschichte aber den eigentlichen Kniff.

Was hat es nun mit dem Pfau auf sich? Wie schon beschrieben, lebt auf dem Anwesen der McIntoshs eine ganze Gruppe Pfauen, keiner weiß wieviele es genau sind. Der Lord und die Lady schenken Ihnen nicht allzu viel Bedeutung da sich die Gruppe längst verselbstständigt hat. Eines Tages fällt ein Vogel mit seinem aggressiven Verhalten blauen Gegenständen gegenüber auf. Er attackiert sie bis sie ernsthaft Schaden genommen haben. Wie es der Zufall will, reist die Chefin der Banker mit einem metallic blauen Auto an, was die McIntoshs in schrecken versetzt. Alle Versuche den speziellen Pfau vom Wagen der Chefin fernzuhalten misslingen und eines Morgens hat das Auto tatsächlich Dellen und Kratzer. Der Lord trifft eine folgenschwere Entscheidung: Der große Vogel muss weg. Er lockt den Pfau in den Wald, erschießt ihn und lässt ihn im Wald unter einem haufen Laub zurück. Er könnte den plötzlichen und gewaltsamen Tod des Pfaus nicht erklären ohne die Chefin auf den Schaden an ihrem Wagen hinzuweisen. Den hat diese aber noch nicht bemerkt und das soll möglichst so bleiben, wenn es nach Hamish McInthosh geht. So weit so gut. Es hätte die Lösung des Problems sein können, wenn auch keine besonders schöne. Dummerweise macht der Jagdhund der Chefin kurz darauf, bei einem Waldspaziergang zwischen zwei Teambuildingseinheiten, eine guten Job. Er apportiert, genau darauf trainiert jedoch zum Schrecken seiner Besitzerin, einen toten Vogel, der sich als einer der Pfauen der McInthoshs herausstellt. Die Chefin muss annehmen, dass ihr Hund den Vogel gerissen hat und es steht sofort fest: Der Lord und die Lady dürfen das nie erfahren. Einer der Banker wird mit dem Verschwinden des Pfaus beauftragt. In seiner Ratlosigkeit vertraut dieser sich wiederum der Köchin an, die einen perfiden Plan ausheckt, wie man den Pfau am geschicktesten und unauffälligsten „entsorgen“ könnte. So nimmt das gegenseitig Versteckspiel seinen Lauf.

Im folgenden Plot werden alle Figuren, mal mehr mal weniger, in die Geschichte verwickelt, ohne zu ahnen, dass auch alle anderen Bewohner des Anwesens, ob dauerhaft oder nur zeitweise ansässig, etwas  zum Verschwinden des Pfaus zu sagen hätten. Einige haben Angst vor der ultimativen Bloßstellung, wenn ihr Teil der Geschichte auffliegt, andere wundern sich über merkwürdige Beobachtungen auf dem Anwesen, die sie nicht recht einzuordnen wissen.

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Das geschriebene Wort

Das Buch hat mich nicht mit offenen Armen empfangen. Nach den ersten Seiten habe ich mich bereits gewundert, was an diesem Buch so merkwürdig ist, es hat sich schleppend gelesen und keinen rechten Spaß gemacht. Erst einige Seiten später bin ich dahinter gekommen: das Buch verwendet keine direkte Rede. Ganze Dialoge werden in indirekter Sprache geführt, was mich zu Beginn sehr befremdet hat. Als Leser bleibt so stets eine Distanz zur Geschichte und den Protagonisten. Man befindet sich nicht in, sondern irgendwie neben der Geschichte.

Der Verzicht auf direkte Rede unterstreicht aber auch die Distanz der Charaktere untereinander. In einer künstlich erschaffenen Situation kommen Menschen zusammen, die sich ein Treffen über so lange Zeit nicht freiwillig ausgesucht hätten. Sie verbergen große und kleine Dinge voreinander um ihre jeweiligen Fassaden aufrecht zu erhalten.

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Ich und das Buch

Das Buch hat mich, wie so oft, genau zur rechten Zeit erwischt. Nur kurze Zeit drauf hatte ich mit meinem Team ein sogenanntes Off-site, das man wohl auch als Teambuildingmaßnahme beschreiben könnte. Ich mag solche Tage und weiß es sehr zu schätzen, dass unser Arbeitgeber uns diese Auszeiten als Team ermöglicht. Von mir aus könnten wir das noch öfter machen. Mir geht es da nicht so wie den Bankern in dem Buch, die sich zu Beginn mit Händen und Füßen gegen das Wochenende wehren.

Die Geschichte hat mir noch mal verdeutlicht, dass jeder von uns seine eigene Version der Wahrheit im Kopf hat wenn es um Erwartungen und Annahmen geht, wie die Dinge unserer Meinung nach Laufen (sollten). Aber es fehlen uns viele Puzzleteile, diejenigen die die anderen im Kopf haben, gewachsen aus anderen Perspektiven und Erfahrungen, die wir nicht kennen. Daran sollten wir uns ab und an erinnern wenn wir wieder mal meinen, alles (besser) zu wissen.  Wenn wir das große ganze Bild aufdecken und Zusammenhänge begreifen wollen, dann müssen wir reden. Und zwar mit den Menschen um uns herum.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Hallo 🙂
    Klingt nach einem wirklich interessanten Buch, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es denn etwas für mich wäre.
    Deine Rezension ist auf jeden Fall super gelungen und auch die Fotos sind echt schick.

    Liebe Grüße,
    Smarty 🙂

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    1. Hallo Smarty!

      Danke dir, das freut mich sehr, dass dir die Rezension gefällt 🙂 was liest du denn gerne für Bücher? Bei mir ist es ganz gemischt und der Pfau wäre auch nicht meine erste Wahl gewesen aber ich hab ihn geliehen bekommen. So entdeckt man Neues.

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